Aachener Zeitung - Belinda Petri 16.02.2024

Das Rijksmuseum in Amsterdam präsentiert Frans Hals als einen der bedeutendsten Maler des 17. Jahrhunderts. Er gilt mit seinem einzigartigen, dynamischen Pinselschwung als Vorbild für zahlreiche Impressionisten und schuf mit herzhaft lachenden Menschen einen neuen Porträttypus.

Einen besseren „Coverboy“ hätte das Rijksmuseum in Amsterdam nicht wählen können: Der „Lautenspieler“ wirkt mit seinen wuscheligen Haaren wie ein moderner Hipster und besticht mit einem charmant-verschmitzten Lächeln. Das um 1623 entstandene Gemälde des niederländischen Malers Frans Hals gehört zu dessen bekanntesten Werken und begeistert normalerweise die Besucher im Pariser Louvre-Museum. Für das Ausstellungs-Triple – die Schau war zuerst in der National Gallery in London zu sehen, ist nun in Amsterdam zu Gast und wird im Sommer in die Gemäldegalerie Berlin ziehen – konnten zahlreiche internationale Leihgeber gewonnen werden. Das Konzept unterscheidet sich in Amsterdam von der chronologischen Präsentation in London und Berlin. Im Rijksmuseum folgt die Hängung der rund 50 Werke von Frans Hals einer thematischen Ordnung: Es geht um „Atmen“, „Lachen“ und „Funkeln“, aber auch um „Groß“ und „Klein“.

Mal prunkvoll, mal ungezwungen

So entfalten in der zurückhaltenden, perfekt ausgeleuchteten Ausstellungsarchitektur des französischen Designers Jean-Michel Wilmotte die beeindruckenden Großformate wie das 1,75 x 3,24 Meter messende „Festmahl der Offiziere der St. Georg Schützengilde“ (1616) und das elf Jahre später entstandene zweite Bankettbild mit den Maßen 1,79 x 2,57 Meter, die erstmals und exklusiv für die Amsterdamer Schau aus dem Haarlemer Frans-Hals-Museum ausgeliehen wurden, ebenso ihre Wirkung wie die kleinformatigen Kinderporträts, auf denen Jungen und Mädchen mit rosigen Wangen beim Musizieren oder – andere Zeiten, andere Sitten – Weintrinken dargestellt sind.

Man mag kaum glauben, dass alle ausgestellten Werke aus einer Hand stammen, so unterschiedlich sind sie in ihrer Malweise: mal prunkvoll und repräsentativ, mal locker und ungezwungen. Ohne Beschreibungstäfelchen könnte das Bildnis „Lachender Fischerjunge“ (um 1630, Privatsammlung) auch zwischen Bilder von Van Gogh und Liebermann in der Abteilung für Kunst des 19. Jahrhunderts hängen – so lebendig die Farben, so dynamisch die Pinselstriche, man meint, den rhythmischen Schmiss des Maler-Instruments auf der Leinwand regelrecht zu hören. Das Gemälde ist seiner Zeit weit voraus und damit eine der zahlreichen Entdeckungen, die die große Frans-Hals-Ausstellung im Rijksmuseum bietet.

Friso Lammertse, der zusammen mit Tamar van Riessen und Bart Cornelis von der National Gallery die Ausstellung kuratierte, erklärt bei einem Rundgang, dass es seit fünf Jahren Kontakte nach London gibt. „Aus gut 200 Gemälden, die Frans Hals zugeschrieben werden, haben wir letztlich etwa 50 Werke ausgewählt, die ganz sicher aus seiner Hand stammen“, sagt er und verweist auf das Bildnis „Der lachende Kavalier“, das erstmals aus der Wallace Collection in London ausgeliehen wurde. Auch dieser Edelmann offenbart ein spitzbübisches, fast süffisantes Lächeln. „Er zeigt allerdings keine Zähne, das war auf Porträts zu dieser Zeit eher unüblich“, erklärt der Kurator und fährt fort, dass aber gerade die Darstellung von lachenden Menschen den Erfolg von Frans Hals ausmache. „Frans Hals ist der erste Maler, der nicht nur steife Porträts von Edelleuten als repräsentative Bildnisse anfertigte, sondern ganz unterschiedliche Menschen mit ihren jeweiligen Temperamenten und Eigenarten darstellte.“

Zu seinen bekanntesten – und markantesten – Werken gehört „Malle Babbe“ (um 1640, Gemäldegalerie Berlin), auch als „Die verrückte Barbara“ und „Hexe von Haarlem“ bekannt. Das Brustbildnis zeigt eine alte, lachende Frau an einem Tisch, die mit der rechten Hand einen Zinnkrug hält und auf deren linker Schulter eine Eule sitzt. Das Bild wurde in nahezu impressionistischer Manier mit sehr kräftigen, kurzen Pinselstrichen gemalt. Die für die Barockzeit typischen feinen Ausführungen von Details fehlen, durch diese Reduzierung wirkt die Darstellung dynamisch und lebendig.

Die lachende Alte wurde vielfältig interpretiert, vor allem ihr grimassenhafter Gesichtsausdruck als Zeichen von Schwachsinn gedeutet und sowohl Eule als auch Bierkrug als Zeichen für Trunksucht angeführt. Der niederländische Spruch „zo beschonken als een uil“ („besoffen wie eine Eule“) unterstreicht diese Deutung. Dass Gustave Courbet 1869 eine Kopie der „Malle Babbe“ mit seinem eigenen Namenszug sowie der Signatur Frans Hals’ und der Jahreszahl 1645 anfertigte, kann als Hommage des französischen Realisten an Hals verstanden werden. Friso Lammertse erklärt, dass die „Malle Babbe“ wohl geistig zurückgeblieben war und wahrscheinlich in einem „Werkhuis“, einem Armen- und Arbeitshaus, gelebt hat – ein vertrautes Terrain für Frans Hals, der nicht nur selbst ein Kind mit Behinderung hatte, sondern auch zeitlebens in finanzieller Not war.

Ein Ausflug nach Haarlem lohnt sich

In dem nur wenige Kilometer entfernten Städtchen Haarlem ist der Geist des Goldenen Zeitalters, wie die wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit des 17. Jahrhunderts in den Niederlanden genannt wird, bis heute spürbar: Ein Ausflug lohnt sich auf jeden Fall, denn das Frans-Hals-Museum bietet weitere hochkarätige Gemälde des Malers, der im frühen Alter als Flüchtling aus Antwerpen nach Haarlem gekommen und dort 1610 in die Lukasgilde aufgenommen worden war. Zu den Highlights des Museums gehört das Bildnis des katholischen Geistlichen Jacobus Zaffius von 1611, das als frühestes datierbar gesichertes Werk gilt: ein Brustbild eines bärtigen Alten mit ernstem Blick, mit schwarzer Kappe und einem schwarzen Mantel mit braunem Pelzkragen – düster und streng.

Friso Lammertse weist auf eine weitere Besonderheit im Werk von Frans Hals hin: „Bei ihm ist Schwarz schwärzer als Schwarz“, und damit meint er nicht nur, wie er es nennt, die „Fifty Shades of Black“, die man in den unzähligen Nuancen der schwarzen Farbe in seinen Bildnissen finden kann. Frans Hals vermochte in seinen zackigen, dynamischen Pinselstrichen so viel Materialität und Stofflichkeit auszudrücken wie kaum ein anderer Maler – ob edler Damaststoff oder wilder Haarschopf, Frans Hals reichen meist nur wenige Striche, um seinen Bildern Leben einzuhauchen. Und wenn der Kurator resümiert: „Frans Hals started smooth and ended extremly rough“ („Frans Hals begann sanft und endete extrem roh“), dann fasst er damit auch das Credo der Ausstellung zusammen, die die Spannweite des außergewöhnlichen Malers Frans Hals sowohl in seiner Zeit wie auch als Wegbereiter der Moderne in sehr erfrischender Art entfaltet.